Funktionsstörung
Die Funktionsstörung, im Volksmund Knirschen genannt, ist die dritthäufigste Zahnerkrankung. Häufig wissen funktionsgestörte Patienten nicht, dass sie nachts mit den Zähnen mahlen. Sie erfahren meist erst im späteren Alter, dass sie dies tun, weil die Zähne kürzer werden und die Zahnhälse frei liegen. Während der Nacht kann der Patient knirschen, pressen oder hacken, wobei Knirschen und Hacken von dem Patienten bemerkt wird, Pressen dagegen nicht.
Dabei schädigt Pressen die Zähne in gleichem Maße: sie werden kürzer, zeigen Längsrisse und bröckeln. Am Zahnhals entwickeln sich durch den zu hohen Druck Defekte und das Zahnfleisch geht zurück. Abgenutzte, gerade Schneidekanten sind immer ein Zeichen von Knirschen, da durch den natürlichen Kauprozess eine solche Kante nicht erreicht wird.
Wenn ein funktionsgestörter Patient eine Aufbissschiene –einen nächtlichen Schutz durch eine durchsichtige Kunststoffspange- trägt, werden die Zähne und das Kiefergelenk geschützt. Das Kiefergelenk wird entlastet, gleichzeitig wird die verspannte Kaumuskulatur entspannt und die Zähne geschützt. Der Regelkreis zwischen Zähnen, Muskulatur und Kiefergelenk wird entkoppelt.
Der Regelkreis der vom Zahnarzt nicht gewollten, nächtlichen Parafunktionen, wird für mindestens zwei Wochen unterbrochen. Häufig stellen sie sich wieder ein, wobei die gefährdeten Strukturen dann durch die Aufbisschiene geschützt werden. Sie wird deswegen von Patient*innen häufig dauerhaft und gern getragen. Viele Patienten wollen sie nicht mehr missen.
Etwa 30% der Patienten gewöhnen sich nicht an sie. Dies versuchen wir regelmäßig wieder, denn wer sich mit 30 Jahren nicht an eine Aufbisschiene gewöhnen möchte, tut es durchaus mit 50 Jahren, bevor größere Schäden eintreten. Wir wollen diese Patientengruppe auch nicht pathologisieren. Es ist nicht wissenschaftlich nachgewiesen, ob und wer der leichteren Fälle unbedingt eine Aufbissschiene tragen muss.. Es gibt hier zudem eine Fülle von Konzepten für Patient*innen, mit denen dem Einzelfall geholfen werden kann, so etwa das abwechselnde Tragen Schienen verschiedener Höhe, um den Entkopplungseffekt immer wieder zu erzielen.
Im schlimmsten Fall können die Zähne durch jahrelanges Knirschen zu kurz werden (‚Abrasionsgebiß‘). Sollten zusätzlich Kiefergelenkbeschwerden auftreten sowie der Biss verloren gehen oder sollte die Ästhetik durch die zu kurzen Zähne gestört sein, muss über eine Therapie nachgedacht werden. Da zu dieser in der Regel alle Zähne mindestens eines, oft beider Kiefer aufgebaut werden, sollte dies genau überlegt sein. Zudem bedarf es einer genauen Planung.
Denn es kommt in fast jedem Fall zum Beschleifen der Zähne, d. h. zum Substanzverlust durch die Therapie. Grundsätzlich ist die Möglichkeit gegeben, sogenannte „Veneers“ aufzukleben und durch diesen minimalen Eingriff wenig Zahnsubstanz zu verlieren.
Dabei gibt es die Sonderform des okklusalen oder palatinalen Veneers: auf einen Seitenzahn, der Substanz durch Knirschen verloren hat, wird die entsprechende Füllmenge aufgeklebt. Diese Restaurationen werden durch das Knirschen jedoch extrem gefährdet.
So geschieht die ‚Bisshebung‘ oft konventionell durch Kronen, da der schwere ‚Knirscher‘ andere Restaurationen häufig wider Willen zerstört.
Letztendlich muss die Bisshöhe und -lage ganz genau austariert werden. Patient und Zahnarzt merken dann, wie viel Erleichterung der Patient verspürt und können dann ganz genau festlegen, wie der Zahnarzt dem Patienten helfen sollte.